Das Fragment eines Graduales des 14. Jahrhunderts im Ungarischen Nationalarchiv

  • Zsuzsa Czagány Bölcsészettudományi Kutatóközpont Zenetudományi Intézet
  • Gabriella Gilányi Bölcsészettudományi Kutatóközpont Zenetudományi Intézet

Abstract

Im vorliegenden Aufsatz wird das Fragment einer mittelalterlichen notierten Messhandschrift behandelt. Das fast vollständig überlieferte Doppelblatt stammt aus einem Graduale des 14. Jahrhunderts, und diente als Einband der Handschrift Nr. 11. Faszikel 4. des Bestandes „Urbaria et Conscriptiones”, Fonds E 156 des Ungarischen Nationalarchivs. In 2020 wurde das Fragment von seiner Trägerhandschrift abgelöst und restauriert. Die Notenschrift des Fragments repräsentiert eine späte Regionalvariante der auf dem Gebiet des mittelalterlichen Ungarn gepflegten sgn. Graner Choralnotation. Im Rahmen vergleichender musikpaläogaphischen Untersuchung wurde auf eine enge Verwandtschaft zwischen der Notenschrift des Fragments und jener des im 15. Jahrhundert verfassten Antiphonale Scepusiense hingewiesen. Das Doppelblatt enthält Gesänge des Messpropriums für die Quatembertage der dritten Adventswoche, darunter das Canticum trium puerorum (Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen), welches in der Messe am Quatembersamstag unmittelbar nach der dem Buch Daniel entnommenen Lesung gesungen wurde. Der Gesang, welcher zur archaischen Schicht der mittelalterlichen liturgischen Einstimmigkeit gehört, ist in den ungarischen handschriftlichen Quellen des 11-16. Jahrhunderts nur selten mit musikalischer Notation belegt. Das auf dem Fragment erhaltene Canticum gehört mit seiner Zusammensetzung und hohen Verszahl sowohl in der ungarischen, als auch gesamteuropäischen Überlieferung zu den längsten Fassungen.

Veröffentlicht
2024-01-06